Ich hatte weder einen grossen Traum, noch ein hohes Ziel. Ich ging nur meinen Weg.
Alles fing Ende der 80er an. Murat C. und ich kannten uns aus der Schulzeit und verbrachten unsere Freizeit mit Musik-erleben. Wir rappten Texte nach, über von Murat programmierte Amiga-Sounds - ein Kopfhörer diente uns als Mikro. Kurz darauf verfassten wir selbst Texte und rappten diese Tag und Nacht. So kam es, dass ich überall, ob in der Schule während des Unterrichts z.B. oder in der Bahn, pausenlos an Textpassagen feilte und sie zu Hause über selbstgeschnittene Tapes übte. Anfangs bastelte ich mir Loops, indem ich wiederholt hintereinander rap/vocal-freie-Parts von Platten auf Cassette aufnahm und zusammenschnitt; es war schwierig zu der Zeit Instrumental-Versionen zu bekommen.
Ich lernte Markus B. kennen. Er war passionierter Plattensammler und DJ. Bei ihm zu Hause, wo die 1210er standen, hatten wir viele sessions, wo er gescratched und ich gerappt hab. 1989 war dann der erste gemeinsame Auftritt im damaligen Volksbildungsheim in Frankfurt, wo wir für 30 DM aufgetreten sind. Die Gage hatten wir nicht bekommen, dafür hatten wir Spass und einige Leute erreicht.
Mit Murat enstand eine enge Zusammenarbeit, die über Jahre gehalten hat. Wir trafen uns täglich, um kreativ zu sein, ohne den Spassfaktor zu vergessen und nicht, um damit Geld zu verdienen oder um irgendwann eine Platte rauszubringen. Aber es kam natürlich anders als gedacht. Markus hatte im Plattenladen "Sounds of Blackness" an der Konstablerwache Calo Randazzo, bekannter als Roey Marquis II., kennengelernt und ihm von uns erzählt. Die Folge war das Vinyl-Debüt 1992 mit "Let the rhythm move you" auf SYA Records/Bellaphon.
CODX (sprich [ko:deks]) war offiziell geboren. "Codex" war die Buchform der Spätantike und des Mittelalters. Es wurden jegliche Schriften darauf festgehalten. Die heutige Buchform geht unmittelbar auf den Codex zurück. Ausserdem steht Codex für Gesetzessammlung und auch für die Regeln, die in einer Gesellschaft massgebend sind. Auch ich lebe nach bestimmten Regeln und Auffassungen, jedoch ist es für mich auch wichtig, dass ich meinen eigenen Weg gehe, vorgegebene Werte und Normen hinterfrage, auseinandernehme, alles durchbreche, um mehr Verständnis für bestimmte Sachen zu erlangen. Wenn ich alles selbst mal in der Hand gehalten, abgetastet und bestenfalls auch gefühlt hab, dann kann ich vielleicht die Bedeutung und Wichtigkeit vieler Dinge leichter verstehen. Die Kombination dieser Codex-Bedeutungen widerspiegelt auch mein Markenzeichen.
Was die erste Platte betrifft, es war ein irrsinniges Gefühl, seine eigene in der Hand zu halten. Alles nahm dann seinen "natürlichen" Weg. Wir suchten uns Jobs, um Geld zusammenzukriegen für einen S950 Sampler. Mit dem PC konnte man keine Musik machen und wir wollten avancieren. In jeder Hinsicht. Ich fing an, an deutschen Zeilen rumzubasteln. Murat konnte sich mit meinem Vorschlag, deutschsprachige Texte zu verfassen erstmal nicht anfreunden und ich muss zugeben, mir gefiel der Klang der Sprache auch nicht allzusehr. Ich warf auch die ersten Versuche weg und schrieb weiterhin auf Englisch.
"Wort für Wort, Zeile für Zeile, wenn's so weitergeht finde ich nie Langeweile ausser gute Reime und die finde ich oft, ob soft, unverhofft, glaubst du's nicht, beweis' ich's dir sofort..." war die Zeile, die mich dazu bewegt hat, es doch in der Muttersprache durchzuziehen. Nachdem ich bei einem Live-Auftritt meine ersten deutschsprachigen Texte vorgetragen hatte, war die Resonanz sehr positiv. Für viele eine Überraschung, für mich die Motivation und die Herausforderung für die Zukunft.
1993 gab es den Sampler "Da Experience", auf dem Roey Marquis die Frankfurter HipHop-Aktivisten vorstellte. Wir waren vertreten mit unserem ersten deutschsprachigen Titel "Wissen ist Macht". Dieser fand Anklang und kurz darauf veröffentlichten wir die erste Maxi "Komplex/Lernt aus der Geschichte" auf "Ruff'n'Raw", das unser Hauslabel wurde. Der Deal über "Ruff'n'Raw" mit Dragnet/Sony Music 1994 ermöglichte die Veröffentlichung unserer LP "Wissen ist Macht" und der Maxi "Getto". Die Studiozeit war knapp, das Budget gering, also rappte ich ohne special effects, ohne punches, z.B. die Strofen zu vier Tracks am Stück ein, in acht Stunden, nur noch ein schneller Mix und die Sache war im Kasten.
Zahlreiche Auftritte standen auf dem Programm u.a. im Rhein/Main-Gebiet: in Jugendhäusern, auf öffentlichen Veranstaltungen, in Clubs etc. (z.B. im Jugendhaus Bornheim, Nachtleben, Funkadelic, Cooky's, Batschkapp, Music-Hall, Museumsuferfest, Sound of Frankfurt 94, mit verschiedenen Kollegen u.a Variety Pac, Positive, Foreign Accent, Konkret Finn, Main Concept, Absolute Beginner, Too Strong, Raid). Nicht zu vergessen die "Da Frankfurter"-Tour 94 durch die Republik mit Asiatic Warriors, Da Germ und DJs. Von Anfang an hat Frankfurt den Underground repräsentiert...
Nach dieser intensiven Zeit mit Auftritten, Veröffentlichungen auf Sampler und Co-Produktionen (Jazz con Bazz, Da Germ) kehrte eine Ruhepause ein. Wir trennten uns im gegenseitigen Einvernehmen von Ruff'n'Raw und Sony Music und wollten erstmal nichts mehr mit dem "Geschäft-Musik" zu tun haben. Ich kann schon behaupten, dass wir frustriert waren. Vieles war nicht so gelaufen wie wir es erwartet und erhofft hatten, viel zu wenig Leute hörten deutschen HipHop und die wenigen mussten meist selbst schauen, wie sie an Infos kommen. Die Strukturen waren zu dem Zeitpunkt nicht so ausgereift wie heute. Für unsere geplante LP "Paragraph X", die wir veröffentlichen wollten, waren Tracks und Texte auch sogut wie fertig. Wir gingen unseren Weg - musikalisch und textlich. Die Plattenfirmen suchten eher nach "Die da"- Kopien und der "Radio-Nummer" und unterstützten somit auch nicht die Weiterentwicklung aktiver HipHop-Künstler, die mit Leib und Seele dabei waren. Wir hatten Geduld, nur irgendwann wollten wir schon sehen, dass die Sache, für die wir gekämpft hatten, Blüten trägt, zumindest um unseren Unterhalt zu bestreiten.
Wenn Musik aber Leidenschaft bedeutet und sie dein Leben ist, kannst du nicht aufhören. Also schaute ich mich doch in der Musiklandschaft um, sammelte neue Erfahrungen durch Kooperationen mit anderen Produzenten und Plattenfirmen. Als Autor, Texter und Coach tätig griff ich Newcomern unter die Arme. Ich erkannte, dass das Ganze eine Maschinerie ist, welche man durchläuft, welche dich im schlimmsten Fall zermalmen kann, bevor du deinen eigentlichen Platz gefunden hast.
Eine angenehme Erfahrung war 1995 mit einer Funk/Jazz-Live-Band mit der ich eine Weile unter R-Solo gejamt hab, zusammen mit Alexander S. (Schlagzeug), Friedemann K. (Bass), Matthias S. (Keyboards), Michael P. (Gitarre) und Ralf K. (Saxophon/1210er).
1996 trafen Calo und ich wieder zusammen. Es entstand der Track "R ist da" auf dem "3 years in rugged HipHop"-Sampler. Ein Jahr später "Alles dreht sich" auf "Reimattacke '97".
Ende der 90er war es auch soweit und ich entschied mich, selbst die Sache in die Hand zu nehmen, die nun hier offen liegt. Offen für jeden, der sie fühlt, der damit 'was anfangen kann.
2001 melde ich mich zu Wort.
Undzwar so, wie ich das gelernt, gelebt und erlebt habe. Kein grosser Traum, kein hohes Ziel, ich gehe nur meinen Weg und werde meine Zelte aufschlagen, dort wo Nachfolger meine Zeilen nachsagen.
CODX
Frankfurt 2001
Fortsetzung folgt...
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"Mein Weg - zwischen 1989 und 2001":
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